Bildung für nachhaltige Entwicklung und Game-based Learning

Zwei Mädchen entwickeln ein Spiel mit Minetest

Im Rahmen des Hochschulseminars „Bildung für nachhaltige Entwicklung und Game-based Learning“ von VProf. Dr. Stefanie Nickel und Daniel Autenrieth entwickeln Grundschulkinder der Klösterleschule Schwäbisch Gmünd gemeinsam mit Studierenden der PH Gmünd eigene Games zu Aspekten der Nachhaltigkeit mit dem Spiel Minetest. Das Projekt verortet sich an der Schnittstelle von Bildung für nachhaltige Entwicklung und Game-based Learning.


„Lieber Vesperpause oder Weiterspielen?“

Ein Erlebnisbericht aus der Klösterleschule

Ein Beitrag von Felix Höhnes
Studentischer Mitarbeiter

In vorangegangenen Zusammentreffen mit den Schüler:innen hatten Bachelor-Studierende in Gruppenarbeiten Themenfelder rund um Nachhaltigkeit im Bildungskontext erarbeitet. Dabei ergaben sich interessante Gruppenthemen wie beispielsweise Mülltrennung, Fairtrade, bis hin zu Gerechtigkeit und Konfliktlösung. Nach der Auseinandersetzung und Lerneinheit mit dem jeweiligen Thema erstellten die Kinder mit den Bachelor-Studierenden Erklärvideos, in denen sie selbst das angeeignete Wissen mit ihrer eigenen Stimme zusammenfassten.

Dies war jedoch nur der Startschuss für ein interdisziplinäres und kooperatives Semesterprojekt von Bachelor- und Masterstudierenden. Im gemeinsamen Austausch und im Anschluss an die Vorarbeiten der Bachelor-Studierenden entwickelten nun die Master-Studierenden die Themenschwerpunkte weiter. Das Ziel war ein Game-Jam mit Grundschulkindern durchzuführen. Das bedeutet, die Kinder entwickelten gemeinsam mit den Studierenden als begleitender Instanz spielerisch mithilfe des Open-Source-Programms Minetest eine Lernwelt/ein Lernspiel zum jeweiligen Thema.

Dabei sind die Möglichkeiten groß und lediglich durch das Sandbox-Game und die thematische Grundidee beschränkt. Der Fahrplan des Seminars ähnelt dabei einem Gehweg mit Laternen. Die Laternen stehen für die Vorgaben und die festgelegte Richtung, um den Weg zu beleuchten, aber mit enormem Spielraum dazwischen. Die Spannung dazwischen ermöglicht Großes. Das wurde auch am 11.02. sichtbar. Der Startschuss des Game-Jams begann mit Playmobil-Figuren, einem ganzen Sack voller Hausmüll wie Endstücken einer Karotte oder Plastikverpackungen, Plakaten für Brainstorming und ausführlichen „Let’s-Play“ Erklärungen der Studierenden, die z.B. gemeinsam mit den Kindern die notwendigen Tasten der Laptops markierten. Beeindruckend war, wie individuell jede Gruppe ihre eigenen Ideen und themenbezogenen Ansätze vorbereitet hatte, um den Kindern einen geeigneten Einstieg in den gemeinsamen Game-Jam zu ermöglichen.

Anschließend ging es in die Orientierungs- und Kennenlernphase am digitalen Endgerät mit der Sandbox-Welt Minetest, sodass die Kinder verstehen konnten, was dort umsetzbar und möglich ist. Die Schüler:innen waren dabei Feuer und Flamme. Einen eigenen Spielercharakternamen zu erfinden, den Charakter in der Minetest-Welt selbst zu steuern, diese Welt zu entdecken, auf der bereits einige Lernprojekte existieren und selbst die ersten Bausteine zu setzen – all das faszinierte die Kinder in höchstem Maße. Deutlich wurde das vor allem daran, dass selbst wenn die Welt im Nachtmodus startete und die Sicht erheblich eingeschränkt war, die Kinder trotzdem mit gespannten Augen vor dem Bildschirm ihre eigene Spielbewegung verfolgten. Zudem entwickelten die Kinder eine neue Art der Spielsteuerung.

Kollaboratives Spiel. Foto: Felix Hönes
Kollaboratives Spiel. Foto: Felix Hönes

Aus der eigentlichen Single-Player-Steuerung entstand eine zwei- bis drei-Spieler-Steuerung, indem sich mehrere Kinder gleichzeitig die Steuerungstasten teilten und den Spielcharakter gemeinsam steuerten. Erwartungsgemäß wäre ein Konkurrenzverhalten gewesen, bei dem jeder alles selbst gestalten wollte. Diese Art der intuitiven Kollaboration, bei der miteinander kommuniziert wurde, wohin der Charakter gelangen sollte oder was er bauen sollte, war überraschend und äußerst erfreulich. Denn damit lösten die Kinder selbst das eigentliche Problem von „zu wenigen digitalen Endgeräten pro Gruppe“ wie selbstverständlich im Team. Natürlich konnte in jeder Gruppe beobachtet werden, dass es unterschiedlich erfahrene Kinder im Umgang mit der Steuerung und Orientierung in einer virtuellen Welt gab.

Es gab Kinder, die sich die Spielweise erklären lassen mussten, aber auch Kinder, die den Studierenden selbst erklärten, welche Tastenkombinationen möglich sind und wortwörtlich durch die Welt flogen. Eines war jedoch bei allen Schüler:innen ersichtlich: Die Steuerung gelang oft intuitiv und die Orientierung durch das Entdecken in der Welt, sodass die meist aufwändig gestalteten Erklärschilder und Poster der Studierenden durch die selbstverständliche und explorative Steuerung der Kinder nur wenig Einsatz fanden. Die Studierenden waren dabei aber keineswegs überflüssig – Anleitung in der Welt war besonders wichtig gerade in der ersten Bauphase, damit die Kinder lernen konnten, wie Blöcke gesetzt werden können oder besondere Tastenkombinationen neue Bedienmöglichkeiten schaffen. Die Begeisterung, selbstständig einen Charakter in der Welt steuern zu können, hätte schon ausgereicht. Das Entdecken von bereits existierenden Projektgebäuden beeindruckte die Kinder jedoch stark. Die Kreativität wurde geweckt und viele Kinder zeigten so gespannt auf den Bildschirm, um aufzuzeigen, was sie gerade am liebsten mit der eigenen Hand erschaffen wollen, da die Steuerung in der virtuellen Welt noch merklich langsamer als der Ideenfluss im Kopf war. Am deutlichsten wurde das Interesse von drei Schülerinnen, als die Stunde bereits zu Ende war und nun eigentlich die Vesperpause anstand. Auf die Frage „Lieber Vesperpause oder Weiterspielen?“ ergab sich eine eindeutige Antwort. Obwohl die Pause, in der gegessen und getrunken werden darf, heiß begehrt und Unterrichtszeit sonst keine Konkurrenz darstellt, riefen die drei gleichzeitig „Weiterspielen“ im Chor.

Das Spiel mit dem eigenen Avatar. Foto: Felix Hönes
Das Spiel mit dem eigenen Avatar. Foto: Felix Hönes

Insgesamt war dieser Start in die Projektpraxis sinnbildlich für die Möglichkeiten, die mit digitalen Medien und einer partizipativ gestalteten Lernzeit einhergehen. Die Wirkung digitalen Spielens bereitete den Kindern viel Freude und viele erkundigten sich nach der Stunde, wann die Studierenden wieder kommen würden, damit sie weiterbauen können. Im Laufe der kurzen Zeit konnte der Prozess des Medienkompetenzaufbaus an vielen Stellen merklich beobachtet werden. Die Orientierung konnte hergestellt werden, sodass dem nächsten Projektschritt, dem aktiven Erfinden von Spielideen, nun nichts mehr im Wege steht.

Die Möglichkeiten, die durch das digitale Spielen einhergehen – der partizipativen Teilhabe am Projekt, dem erforschenden Lernen und der bereits wirksamen Kollaboration – bereiten ein großes Potenzial für die Schüler:innen vor. Aber vor allem eins – der Motivation am „Weiterspielen!“

Skip to content