Die Emanzipation des Selbst
Bildung – Digitalität – Inklusion
Im Kontext von emanzipatorischer Bildung (vgl. Adorno 1971) geht es u.a. darum, Menschen dazu zu befähigen, ihre Lebensumstände selbstbestimmt zu verbessern und die eigene wie auch die gesellschaftliche Zukunft mitzugestalten (=> Partizipation = Teilhabe). Inhärent ist diesem Bildungsverständnis (a) das Aneignen von Wissen, d.h. der Begriff geht über das bloße Vermitteln von Wissen hinaus. Ferner geht es (b) um das bewusste Hinterfragen und Reflektieren von gesellschaftlichen Bedingungen mit dem Ziel des eigenständigen Gestaltens von alternativen Lebensmöglichkeiten sowie (c) einem dem entsprechenden Menschenbild. So lässt sich sagen, emanzipatorische Bildung ist zugleich auch politische Bildung im Sinne Oskar Negts (1999): Es geht um das Überwinden von Abhängigkeiten und das Freisetzen von nicht-manipuliertem, sprich mündigem, Handeln. Mit anderen Worten: Es geht um ein gleiches Recht für alle auf Teilhabe und das gegenseitige Anerkennen. Annedore Prengel (2012) spricht in diesem Zusammenhang von egalitärer Differenz, die jedoch u.U. Unterscheidungen zwischen „Ich und der Andere“ weiter tradiert. Dieses Paradoxon sollte beim Gestalten von Lehr- und Lernprozessen mit Fokus auf Bildung, Digitalität und Inklusion in einer komplexen, demokratisch verfassten Gesellschaft unbedingt mitbedacht werden.
Für Deppe-Wolfinger (2012) ist Inklusion „… no longer about the ‚inclusion of children with special demands in the public school’, but about ‘living and learning for all children in one public school’. Dieses weit gefasste Begriffsverständnis zielt auf demokratische Öffnungsprozesse im Kontext von Unterricht, Schule und Gesellschaft im 21. Jahrhundert ab. Mit Fokus auf eine Kultur der Digitalität, die als Kultur der Partizipation (Stalder 2016) verstanden und mitgestaltet werden kann und sollte, geht es also im kritisch-konstruktivistischen Sinne darum, Möglichkeitsräume zur Partizipation und zukunftsfähigen Veränderung zu schaffen. Eine an prozess- und differenzierungsorientierte (Medien-)Bildung sowie Lehre zielt auf Kreativität, divergentes Denken, Kollaboration und Kommunikation ab. Auf diese Weise können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene prospektiv ihre Ideen und Visionen visualisieren, um über das Anbahnen und Stärken von sozialen, personalen und fachlichen Kompetenzen, individuell und kollektiv die Herausforderungen einer inklusiven, post-digitalen Welt zu meistern. Im Hinblick auf demokratische Öffnungsprozesse bezieht sich dialogisch orientiertes Lehren, Lernen und Forschen somit auf (a) die Auswirkungen von Digitalisierung als Prozess und Digitalität als Zustand, (b) auf das Ausbilden von Wahrnehmungsstrukturen und (c) auf das aktiv-partizipative (Mit-)Gestalten von Unterricht, Schule und Gesellschaft (siehe hierzu auch Framework UDL => Universal Design for Learning Guidelines). Anders gesagt: Der ganzheitliche Blick auf Gegenstände des digitalen Wandels mit Fokus auf das Zusammenspiel von Inklusion, Teilhabe und Anerkennung trägt zu einer domänenspezifischen Erforschung einer kulturellen Transformationsdynamik der Digitalisierung und ihre Bedeutung für die Befähigung von Bildungssubjekten zur Gestaltung von inklusiven Bildungsangeboten mit digitalen Medien bei.